Sektion 7
Claudia Jünke (Bonn)
Alexander Gropper Lorda (Passau)
Frank R. Links (Bonn)
La Movida revisitada - Historische und systematische Aspekte einer transmedialen Ästhetik
Während Jugendliche in anderen westeuropäischen Ländern bereits in den 1960er Jahren beginnen, überkommene Werte und Traditionen in Frage zu stellen, sind in Spanien die Bedingungen für eine solche contracultura aufgrund der politischen und gesellschaftlichen Restriktionen der franquistischen Diktatur ungleich ungünstiger. Erst mit Francos Tod 1975 scheint auch in Spanien der Sprung in die Postmoderne möglich. Im Bereich von Kunst und Kultur entsteht in der Zeit des politischen Umbruchs ausgehend von Madrid die Bewegung der Movida, die zugleich Ausdruck und Motor vielfältiger gesellschaftlicher Öffnungs- und Modernisierungsprozesse ist. Musikgruppen wie Kaka de Luxe, Nacha Pop oder Alaska besingen die neu gewonnene Freiheit; Cineasten wie Pedro Almodóvar und Iván Zulueta brechen sexuelle Tabus und zeichnen ein Leben im Exzess; Maler und Fotografen wie Pablo Pérez Mínguez, Ouka Leele, El Hortelano oder Costus machen aus Pop und Kitsch Kunst; Autoren wie Luis Antonio de Villena, Vicente Molina Foix, Rosa Montero oder Esther Tusquets finden im Bereich der Literatur Ausdruck für das neue Lebensgefühl. Die Movida ‚bewegt’ dabei nahezu jede Altersgruppe, wobei im Ideal des Jugendlichen die Hoffnung auf eine andere Zukunft anklingt. So schnell wie die Welle der Movida aufkommt, so schnell klingt sie ab Mitte der 1980er Jahre wieder ab, um zu Beginn des neuen Jahrtausends, bereits in einen ‚Mythos’ verwandelt, wieder verstärkt Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Die Sektion stellt sich zur Aufgabe, dem Phänomen der Movida aus systematischer und historischer Perspektive auf den Grund zu gehen und dabei beide Blickwinkel aufeinander zu beziehen. Dem interdisziplinären, unterschiedliche Künste und Medien umfassenden Charakter der Kulturbewegung entsprechend soll ein Dialog zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus verschiedenen Bereichen wie der Literatur-, Sprach-, Kultur-, Medien-, Musik-, Film- und Kunstwissenschaft eröffnet werden. Ziel der Sektionsarbeit ist zum ersten, in der Analyse unterschiedlicher kultureller Objekte, Phänomene und Prozesse die Grundzüge einer möglichen transmedialen Ästhetik der Movida herauszuarbeiten. Welche in den verschiedenen Medien, Gattungen und Künsten zum Tragen kommenden Themen, Ausdrucksweisen und Repräsentationsformen können als spezifisch für die kreative Produktion der Movida gelten? Zum zweiten ist nach dem Verhältnis zwischen diesen Movida-typischen künstlerischen Repräsentationsformen und den ‚neuen’ Realitäten im Spanien der 1970er/80er Jahre ((Post-)Moderne, Postfranquismus) zu fragen: Wo ist der kulturgeschichtliche Ort der Movida im Spanien des 20. Jahrhunderts?
Als mögliche Untersuchungsbereiche bieten sich an:
Systematische Perspektive (Film, Musik, Literatur, Malerei, Fotografie):
- Ästhetik des Kitsch, Trash und Camp
- Internationalismus
- Jugendsprachliche und jugendkulturelle Aspekte
- Gender/Queer-Aspekte
- Medienkultur und Intermedialität
- Movida im Spannungsfeld von künstlerischer Repräsentation und Lebenspraxis
Historische Perspektive:
- Movida und Moderne bzw. Postmoderne
- Movida als neue Avantgarde?
- politische Implikationen der Kunstproduktion
- ‚Mythos’ Movida