Forschungsprojekte
Laufende Projekte
Bells, Drums, and Muezzins: Colonial (In)Tolerance of Religious Sounds
(Teilprojekt der DFG-Forschungsgruppe ›The Difficulty and Possibility of Tolerance‹, Universitäten Passau und Kiel)
Glocken, Trommeln, Muezzine – Koloniale (In)Toleranz religiöser Klänge (DFG-Forschungsprojekt, 2024-2028)
Moderne Kolonialreiche waren multiethnische und multireligiöse Gebilde, die ihre Eroberung und ihre Herrschaft teilweise dadurch legitimierten, dass sie die so genannten ‚unzivilisierten Völker befrieden‘ müssten, indem sie ihnen Religionsfreiheit und Religionstoleranz anboten. Das beantragte Teilprojekt befasst sich mit den darauffolgenden Widersprüchen in der Geschichte religiöser (In-)Toleranz in den kolonialen Gesellschaften des Britischen Weltreiches, indem es sich auf Praktiken und Aushandlungen (inter-)religiöser Lärmtoleranz konzentriert. Anhand sozialer Ingroup-Outgroup-Konzepte können Ablehnung oder Akzeptanz von Klängen in einem multireligiösen kolonialen Kontext verstanden werden. Als die koloniale Urbanisierung zu einer Konfrontation verschiedener religiöser Regeln und Vorstellungen in Bezug auf Lärm im öffentlichen Raum führte, beschwerten sich religiöse Autoritäten bei kolonialen Polizeistationen über die ‚Lärmbelästigung‘ durch profane Gruppen oder andere religiöse Gemeinschaften. Zugleich forderten Anwohner*innen von Kirchen, Moscheen oder traditionellen afrikanischen Initiationsgesellschaften ein Verbot des muslimischen Gebetsrufs, der Kirchenglocken oder des nächtlichen Trommelns. Das vorgeschlagene Projekt analysiert, mit welchen technischen, politischen und rechtlichen Maßnahmen die britischen Kolonialregierungen diese lokalen Konflikte bewältigten. Mit diesem historisch vergleichenden Projekt erforschen wir, welche Geräusche aus religiöser oder säkularer Sicht als tolerabel angesehen wurden und welche Geräusche in Bezug auf Qualität und Quantität als unerträgliche Blasphemie oder Erregung öffentlichen Ärgernisses galten (Arbeitspaket 1). Wenn religiöse Klänge missbilligt wurden oder profane Geräusche von religiösen historischen Akteuren abgelehnt wurden, untersuchen die Mitglieder des Teilprojektes, wie Respekt oder Missachtung durch koloniale Institutionen ausgehandelt oder auferlegt wurde (Arbeitspaket 2). Und mit der methodischen Reflexion von Lärm(in)toleranz als Indikator für Konflikte zwischen Gruppen schlägt dieses historische Projekt eine Brücke zwischen den beiden Bedeutungen von Toleranz als Einstellung und als Praxis (Arbeitspaket 3). In dem Projekt werden wir uns auf ausgewählte koloniale Metropolen (z. B. Accra, Ghana) konzentrieren. Die vergleichende Untersuchung dieser Fälle ist entlang des Disapproval–Respect -Modells unserer Forschungsgruppe strukturiert. Auf diese Weise kann dieses Teilprojekt für die gesamte Forschungsgruppe wichtige Erkenntnisse über die historische Dynamik von Toleranzpraktiken auf der Grundlage unterschiedlicher religiöser Überzeugungen und im Hinblick auf multikulturelle Kontexte beitragen.
Team | |
Prof. Dr. Stephanie Zehnle | Leitende Wissenschaftlerin |
Victor Nakou | Doktorant |
Maximilian Wimmer | Wissenschaftliche Hilfskraft |
Antonia Zoch | Wissenschaftliche Hilfskraft |
Die Zucht (post-)kolonialer Nutztiere in Namibia:
Historische, sozialökologische und genetische Transformationen (DFG-Paketprojekt der Universitäten Passau und Gießen mit dem Deutschen Institut für Tropische und Subtropische Landwirtschaft DITSL)
Die Zucht (post-)kolonialer Nutztiere in Namibia - Historische, sozialökologische und genetische Transformationen
(DFG-Paketprojekt der Universitäten Passau und Gießen mit dem Deutschen Institut für Tropische und Subtropische Landwirtschaft DITSL, seit 2021)
Das Projekt untersucht in einem interdisziplinären Ansatz die Nutztierzucht in Namibia seit Beginn der Kolonialzeit (1884) bis heute als einen verschränkten Prozess historischer, sozial-ökologischer und genetischer Transformationen. Die Errichtung kolonialer Systeme in Afrika griff massiv in die dortigen Gesellschaften ein und führte zu tiefgreifenden Veränderungen der Lebensräume mit ihrer Biodiversität, Ressourcenausstattung und Landnutzung. Nutztierhaltung spielte in den kolonialen Unterfangen im heutigen Namibia eine zentrale Rolle und so führte Kolonialisierung hier zu einer starken Diversifizierung der Tierhaltungssysteme. Dies wiederum bedingte Transformationsprozesse in den Nutztierpopulationen auf phäno- und genotypischer Ebene. Koloniale Zukunftsentwürfe beinhalteten sowohl die Nutzung lokaler als auch die Ansiedlung europäischer Rassen. Dieser Wille zu einer geplanten Transformation war selbst Teil der Legitimation von Kolonialismus und biologistischem Rassismus: Vorhandene Produktionssysteme und Nutztierpopulationen galten – ebenso wie afrikanische Gesellschaften – als verbesserungswürdig durch europäische Anleitung. Im Austausch mit afrikanischen Arbeitern wurden auf den entstehenden kolonialen Farmen neue Formen der Tierhaltung und neue Züchtungen vorangetrieben. Bei diesem explorativen Vorgehen wurden die menschlichen Akteure sowohl durch die interkulturelle Kommunikation als auch durch die Diskrepanzen von Zuchtzielen und -resultaten fortwährend herausgefordert. Das Arbeitsvorhaben der Geschichte (Passau) untersucht daher, nach welchen überlieferten Strategien koloniale Züchtung gesteuert wurde und wie sich koloniale Mensch-Nutztier-Verhältnisse angesichts der Zuchtergebnisse veränderten. Es betrachtet dabei mikrohistorisch die afrikanischen Farmen ehemaliger Schüler und Schülerinnen der landwirtschaftlich ausgerichteten Deutschen Kolonialschule in Witzenhausen und der Kolonialen Frauenschule in Rendsburg. Das Arbeitsvorhaben Soziale Ökologie (DITSL) ermittelt die Produktions- und Handlungslogiken der Tierhalter/innen in unterschiedlichen, aktuellen Weidewirtschaftssystemen in Namibia. Es untersucht, wie diese Logiken entstanden und wie sie mit unterschiedlichen Mensch-Tier- Umwelt-Beziehungen verknüpft sind. Durch das Arbeitsvorhaben der Tierzucht (JLU) wird es dann möglich zu prüfen, inwieweit koloniale gesellschaftliche Veränderungen zu Zuchtzieldefinitionen beigetragen haben und inwieweit daran ausgerichtete züchterische Prozesse anhand genetischer Daten heute messbar sind. Durch diese interdisziplinäre Herangehensweise werden historische, soziale, räumlich-landschaftliche und genetische Transformationen erstmals anhand eines konkreten Fallbeispiels im direkten Bezug zueinander erforscht. Dadurch wird geklärt, ob und gegebenenfalls wie durch die Kolonialisierung Weidewirtschaftssysteme dauerhaft verändert wurden oder ob und in welchem Umfang sich afrikanische Züchtungs- und Haltungspraktiken letztlich als resilient erwiesen.
Team | |
Prof. Dr. Stephanie Zehnle | Leitende Wissenschaftlerin |
Dennis Yazici | Doktorant |
Aicha Ben Brahim | Wissenschaftliche Hilfskraft |
Umweltgeschichte und Comics:
Untersuchung der visuellen Geschichte der Umweltbeschreibung und -rezeption sowie der Methodik historischer Wissensvermittlung durch Comics in Projekten der Forschung und Lehre
Seit 2014
Untersuchung der visuellen Geschichte der Umweltbeschreibung und -rezeption sowie der Methodik historischer Wissensvermittlung durch Comics in Projekten der Forschung (z. B. der Akademie der Wissenschaften in Hamburg ) und Lehre (etwa durch Comic-Kurzgeschichten zum Agrarkolonialismus).
Team | |
Prof. Dr. Stephanie Zehnle | Leitende Wissenschaftlerin |