Laufende Projekte
Methodology of the Inaccurate
(VW-Stiftung, Förderlinie „Aufbruch“, zus. mit Malte Rehbein, Universität Passau; Zeitraum: 2025–2027)
For historical research, Artificial Intelligence (AI) opens up previously unimagined possibilities to massively indexing so far unused sources by means of automated transcription of handwritten archive materials. However, this textual data is, compared to traditional editions and linguistic databases, inaccurate, currently with character and word error rates of about 10% and 25% respectively. This project explores whether and to what extent, as well as how and under what conditions, reliable research results can be achieved even when using such “inaccurate” texts as empirical basis for historical research. To achieve this, different methods from Digital Humanities and Historical Linguistics, such as collocation analyses, geospatial or network analyses on named entities, or generally the usage of Large Language Models are tested against accurate as well as inaccurate textual datasets. Results are compared between the two and differences methodologically and epistemologically evaluated. If the hypothesis, that also inaccurate texts yield reliable results, proves correct, this approach would open up vast new territory for historical research. The project includes a case-study on a serial, longitudinal archival source of about 30 millions tokens from 17th to 19th century.
Freie und gebundene Variation in der Grammatik. Diachronie und Diatopik der Auxiliarvariation im Deutschen
(DFG-Projekt 509137817; zus. mit Melitta Gillmann, Univ. Duisburg-Essen; Zeitraum 2023–2026)
Die Variation der Perfekthilfsverben haben und sein ist sowohl in der deutschen Gegenwartssprache als auch in der Sprachgeschichte größer, als in der Forschung bislang angenommen. Neben bekannten Fällen wie der haben/sein-Variation bei Positionsverben wie sitzen, stehen, liegen, die regional konditioniert sind, werden andere Fälle bislang kaum zur Kenntnis genommen (z.B. hat/ist einen Weg eingeschlagen, hat/ist etwas angegangen, hat/ist getourt). In der deutschen Sprachgeschichte ist dieser Variationstyp noch deutlich ausgeprägter, wie u.a. eine Pilotstudie zu diesem Projekt zeigt; nicht selten variieren sogar einzelne Schreiber/innen in ihrem Auxiliargebrauch. Dabei ist nur ein Teil der beobachteten Varianz durch sprachinterne oder -externe Faktoren erklärbar. In einem beträchtlichen Teil der Daten scheint das Auxiliar ungebunden zu variieren, was auf einer theoretischen Ebene die Frage aufwirft, ob wir es mit einem Fall freier Variation, d. h. der Koexistenz zweier funktionsgleicher Varianten, zu tun haben, wie sich die Varianz diachron wandelt, und wie Diachronie und Diatopik bei der Entstehung und Entwicklung dieser Varianten zusammenwirken. Um diese Fragen zu beantworten, strebt das Projekt erstmals eine breit angelegte, systematische Studie zur Erschließung dieses Variationstyps an. Ziel ist es, die Perfekthilfsverbvariation in historischen Sprachstufen des Deutschen vom Mittelhochdeutschen bzw. Mittelniederdeutschen zum frühen Neuhochdeutschen und in ihrer Arealität umfassend zu beschreiben und mögliche Einflussfaktoren auf die Hilfsverbwahl zu bestimmen. Hierzu werden zwei verzahnte Teilprojekte an den Standorten Duisburg-Essen und Passau durchgeführt. Es wird eine gemeinsame, standortübergreifende Datenbank mit Perfektbelegen aufgebaut und ausgewertet. Die Befunde, die sich aus diesen Auswertungen ergeben, werden jeweils unter diachronen und diatopischen Gesichtspunkten in gemeinsamen Veröffentlichungen zusammengeführt. Um Einflussfaktoren auf die Hilfsverbwahl zu analysieren, werden die Korpusdaten u. a. nach semantisch-syntaktischen Merkmalen wie Telizität, Aspektualität, semantischer Verbklasse und Transitivitätsgrad annotiert. Ein Teilziel besteht darin, erstmals zuverlässige Kriterien der Operationalisierung dieser Merkmale zu erarbeiten und diese auf Grundlage von Sprachdaten zu evaluieren. So soll ein Annotationsleitfaden für zukünftige empirische Studien zu verbalen Konstruktionen entstehen. Auf einer theoretisch-abstrakten Ebene ist ein Erkenntnisgewinn über die allgemeine Beziehung von Variation in Diachronie und Diatopik wie auch über die Existenz von freier Variation im Sprachsystem zu erwarten. Damit leistet das Vorhaben einen wichtigen Beitrag zu einer empirisch fundierten Sprachwandel- und Sprachvariationsforschung.
Etablierung von Studiengängen an der Türkisch-Deutschen Universität Istanbul
(DAAD-Projekt, gefördert seit 2022)
Die Universität Passau (Lehrstuhl für Deutsche Sprachwissenschaft) hat zum WS 2022/23 den Aufbau und die Organisation einer Flying Faculty zur Etablierung des BA Kultur- und Kommunikationswissenschaften an der Türkisch-Deutschen Universität Istanbul (TDU) übernommen. Gleichzeitig beinhaltet das Projekt die Entwicklung eines Doppelabschlussprogramms des Passauer Studiengangs BA „Medien und Kommunikation (MuK)“ mit dem TDU-Studiengang BA „Kultur- und Kommunikationswissenschaften (KuKoWi)“.
Im Rahmen der Flying Faculty ist die Weiterentwicklung der Lehrinhalte an der TDU geplant. Hierzu wird vom Lehrstuhl für Deutsche Sprachwissenschaft in Passau eine Flying Faculty aufgebaut und koordiniert, die Dozierende aus Deutschland an die TDU bringt und deren Expertisen in Kultur- und Kommunikationswissenschaften für den dortigen Studiengang nutzbar macht. Perspektivisch soll die Flying Faculty außerdem dazu dienen, das Doppelabschlussprogramm der beiden BA-Studiengänge inhaltlich zu unterstützen.
Erwerb des mittelfränkischen Tonakzents
(Teilprojekt im DFG-Graduiertenkolleg 2700 „Dynamik und Stabilität sprachlicher Repräsentationen“; Zeitraum 2022–2025)
Das Projekt widmet sich Erwerbs- und Abbauprozessen von Tonakzenten in westmitteldeutschen (mittelfränkischen) Dialekten. Mittelfränkische Dialekte weisen die Besonderheit auf, dass Töne dort – ähnlich wie in außereuropäischen Tonsprachen – systematisch zur lexikalischen und grammatischen Wortunterscheidung genutzt werden, z. B. in: /dau1f/ ʻTaufeʼ vs. /dau2f/ ʻTaubeʼ. Im Projekt wird untersucht, wie Kinder aus diesen Dialekträumen im Erstspracherwerb die Tonakzente erwerben und entsprechende mentale Repräsentationen zur lexikalischen und grammatischen Unterscheidung von Dialektwörtern aufbauen. Zudem werden die Tonakzentkontraste bei erwachsenen Dialektsprecherinnen und Dialektsprechern untersucht. So sollen (generationenbedingte) Abbauprozesse der Tonakzentdistinktion und der Verlust sprachlicher Repräsentationen identifiziert werden.