Lebenslauf Sigmund von Birken
Jugend und Aufenthalt in Norddeutschland
Sigmund von Birken wurde am 25.4.1626 als Sigismundus Betulius in Wildstein bei Eger als Sohn eines evangelischen Pfarrers geboren. 1629 musste die Familie aufgrund ihres evangelischen Bekenntnisses Böhmen verlassen und ging nach Nürnberg, wo Betulius aufwuchs. 1643/44 studierte er kurze Zeit in Jena, musste aber aus Geldnot nach Nürnberg zurückkehren. Georg Philipp Harsdörffer (1607-1658), der dem Patriziat der Stadt angehörte und bereits großes literarisches Ansehen genoß, förderte den dichterisch begabten jungen Betulius und nahm ihn 1645 in den ein Jahr zuvor gegründeten Pegnesischen Blumenorden auf. Durch Vermittlung Harsdörffers und des mit Harsdörffer befreundeten, in Wolfenbüttel tätigen Gelehrten Justus Georg Schottelius (1612-1676) erhielt Betulius eine Anstellung als Prinzenerzieher am Hofe des Herzogs August d. J. von Braunschweig-Lüneburg (1579-1666) in Wolfenbüttel, wo er im Dezember 1645 eintraf.
Zu Betulius' Zöglingen gehörte auch Herzog Augusts Sohn Anton Ulrich (1633-1714), der später nicht nur politisch – zunächst als Mitregent neben seinem älteren Bruder Rudolf August (1627-1704), dann als alleiniger Regent des Herzogtums –, sondern auch als Verfasser literarischer Werke Bedeutung gewann. Betulius übernahm in den sechziger und siebziger Jahren die Druckbetreuung und redaktionelle Endbearbeitung vieler Werke Anton Ulrichs, insbesondere seiner mehrbändigen Romane Aramena und Oktavia. Auch wenn Betulius am Wolfenbütteler Hof zu seinem 20. Geburtstag die Ehre widerfuhr, zum Dichter gekrönt zu werden – ein damals quasi-juristischer Akt von einiger Bedeutung –, war er dennoch mit seiner Tätigkeit dort unzufrieden und fühlte sich wohl letztlich überfordert. Deshalb verließ er den Hof bereits im Oktober 1646 und begann eine Zeit der Wanderschaft durch Norddeutschland, bei der unter anderem Lüneburg, Hamburg, Celle, Dannenberg und Rostock Stationen waren. Zu den wichtigsten Kontakten, die Betulius in Norddeutschland knüpfte, gehörten die zu Schottelius in Wolfenbüttel und Johannes Rist (1607-1667) in Wedel.
Frühe Nürnberger Jahre (1648-1658)
Ende 1648 kehrte Betulius nach Nürnberg zurück, wo 1649/50 die Ausführungsbestimmungen zum Westfälischen Frieden ausgehandelt wurden. Betulius gelang es, gute Kontakte zur kaiserlichen Delegation herzustellen. Als Ottavio Piccolomini (1599-1656), der die kaiserliche Gesandtschaft leitete, im Juni 1650 nach dem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen ein großes Fest gab, wurde ein von Betulius verfasstes Friedensspiel aufgeführt – ein Ereignis, das man heute wohl als den "literarischen Durchbruch des Autors" bezeichnen würde.
In der Folgezeit begann Betulius – auch wenn er zunächst noch als Hauslehrer tätig sein musste – sich so etwas wie eine "literarische Existenz" in Nürnberg aufzubauen. Neben seiner eigenen literarischen Produktion – unter anderem viele Gelegenheitsgedichte zu gesellschaftlichen Anlässen wie Hochzeiten, Beerdigungen – übernahm er Korrekturen und Druckbetreuung für die Werke anderer Autoren, vermittelte zwischen Autoren, Verlegern und Kupferstechern. So brachte er zum Beispiel mehrere Werke des österreichischen Barons Johann Wilhelm von Stubenberg (1619-1663), der sich vor allem als Übersetzer einen Namen machte, zum Druck. Etliche weitere Beispiele für die Bedeutung, die Betulius schon früh im Literaturbetrieb der Stadt Nürnberg gewann, ließen sich anführen.
Ernennung zum Hofpfalzgrafen
1655 wurde Betulius vom Kaiser – vor allem durch die Vermittlung des als Reichshofrat am Wiener Hof etablierten Grafen Gottlieb von Windischgrätz (1630-1695) – zum Hofpfalzgrafen (Comes Palatinus) ernannt. Dieses Amt berechtigte unter anderem dazu, Notare zu ernennen, Dichterkrönungen vorzunehmen und andere juristische Akte durchzuführen. Die Hofpfalzgrafenwürde war für Betulius mit der Verleihung des erblichen Adels verbunden, sodass er sich fortan Sigmund von Birken nannte. Die neue Würde erschloss ihm neue Einnahmequellen und erhöhte sein gesellschaftliches Ansehen.
Bayreuther Zeit (1658-1660)
1658 heiratete Birken die wohlhabende Witwe Margaretha Magdalena Mülegk, geb. Göring, aus Bayreuth. Wie aus zahlreichen Tagebuchnotizen und anderen Dokumenten Birkens kenntlich wird, verlief die Ehe nicht besonders glücklich. Infolge der Eheschließung zog Birken nach Bayreuth, wo es ihm gelang, gute, auch nach seiner Rückkehr nach Nürnberg 1660 weiterbestehende, Verbindungen zum markgräflichen Hof zu knüpfen, unter anderem zum dortigen Superintendenten Caspar von Lilien (1632-1687). 1658 wurde Birken durch die Vermittlung von Windischgrätz und Stubenberg auch in die im deutschen Sprachraum berühmteste Sprachgesellschaft aufgenommen: er trat als Der Erwachsene in die Fruchtbringende Gesellschaft ein.
Von Bayreuth aus, wo es nur eine nennenswerte Druckwerkstatt gab, war der in Nürnberg – aufgrund der räumlichen Nähe – problemlos mögliche Umgang mit Verlegern, Druckern und Kupferstechern wesentlich schwieriger für Birken: Es musste der umständlichere Weg über die Post genutzt werden. Dadurch geriet die Stellung, die sich Birken in den frühen fünfziger Jahren im Literaturbetrieb der Reichsstadt aufgebaut hatte, in Gefahr. Zahlreiche Dokumente belegen, dass sich Birken aufgrund dieser Umstände in Bayreuth nicht wohl fühlte. Deshalb verwundert es nicht, dass er die erste Gelegenheit nutzte, nach Nürnberg zurückzukehren. Ein solcher Anlass bot sich ihm 1660, als er vom kaiserlichen Hof mit der Neubearbeitung der Fuggerschen Geschichte des Hauses Habsburg beauftragt wurde, einem Projekt, das Birken erst 1668 abschließen konnte und das sich nur bei permanenter Anwesenheit in Nürnberg bearbeiten ließ.
Der Pegnesische Blumenorden
Wieder in Nürnberg, nahm Birken seine für zwei Jahre eingeschränkte Tätigkeit als "Literaturmanager" wieder auf. Sichtbarstes Zeichen davon war 1662 die Wiederbelebung des seit Harsdörffers Tod 1658 inaktiven Pegnesischen Blumenordens, dessen Präsidentschaft Birken übernahm. Er konnte das Ansehen des Ordens und damit die gesellschaftliche Bedeutung von Literatur in der Folgezeit erheblich steigern. In seiner Eigenschaft als Vorsteher der Pegnitzschäfer förderte Birken viele jüngere Talente und verschaffte dem Orden überregionales Ansehen, auch indem er zahlreiche Mitglieder von außerhalb Nürnbergs aufnahm. Seit den späten sechziger Jahren gab Birken dem Orden eine zunehmend religiöse Ausrichtung, was in der Hinzufügung eines zweiten Ordensemblems seinen zeichenhaften Ausdruck fand: neben die von Harsdörffer eingeführte Panflöte, das traditionelle Instrument der Schäfer, trat die Passionsblume als Hinweis auf die Erlösungstat Jesu.
Späte Nürnberger Jahre (1660-1681)
Nach seiner Rückkehr nach Nürnberg 1660 verließ Birken bis zu seinem Tod die Stadt nur noch für gelegentliche Ausflüge in die nähere Umgebung. Sein weiteres Leben verlief – zumindest äußerlich – in ruhigen Bahnen. Birken arbeitete als anerkannter Dichter und betreute Drucke anderer Autoren (z .B. Anton Ulrich von Braunschweig-Lüneburg, Catharina Regina von Greiffenberg). 1670 starb Birkens erste Frau, von 1673-1679 war er erneut verheiratet. Am 12.6.1681 starb Sigmund von Birken in Nürnberg.
Literarisches Wirken
Auf die zahlreichen literarischen Projekte, die Birken in seinem Leben verwirklichte, kann im Rahmen dieser kurzen Biographie nicht eingegangen werden. Birken zählte zu den produktivsten Autoren seiner Epoche. Um überhaupt ein paar seiner umfangreicheren Schriften zu erwähnen, seien hier genannt: Die Truckene Trunkenheit (1658), Der Donau-Strand (1664, Birkens, was den Absatz anging, wohl erfolgreichstes Buch), Spiegel der Ehren (1668), Guelfis (1669), Todes-Gedanken und Todten-Andenken (1670), Pegnesis (1673), Pegnesis II (1679), Teutsche Rede-bind und Dicht-kunst (1679, Birkens Poetik).
Birken führte teilweise sehr intensive Korrespondenzen mit vielen bekannten literarischen Persönlichkeiten seiner Zeit, zu nennen wäre neben den bereits genannten Herzog Anton Ulrich, Justus Georg Schottelius, Georg Philipp Harsdörffer und Johannes Rist vor allem die österreichische Dichterin Catharina Regina von Greiffenberg (1633-1694), mit der ihn eine enge Freundschaft verband.