Contingencia y moral. El extranjero visto a través de la ficción
Internationaler Kongress vom 7. bis 9. Mai 2021
Der auf Aristoteles zurückgehende Begriff Kontingenz, d. h. alles, was weder notwendig noch unmöglich ist, verweist auf eine fundamentale epistemologische Gegebenheit, nämlich, dass alles, was Menschen erkennen, von Perspektiven und Referenzsystemen abhängt. Erkenntnis ist somit ein selbstreferentieller Prozess. Die Anerkennung von Kontingenz bringt Ungewissheit und Angst mit sich, eröffnet aber auch neue Handlungsspielräume. Für die Ethik und eine allgemeine Moral bedeutet sie zunächst Legitimationsprobleme. Denn Kontingenz kann Beliebigkeit und Gleichgültigkeit Tür und Tor öffnen, weil sie jeder Begründung (und Anwendung) von Moral den Boden entzieht. Zugleich wertet sie aber auch präskriptive Ethiken als notwendige Voraussetzung für moralisches Handeln auf. Außerdem ist Kontingenz die Bedingung für eine Anerkennung von Diversität. Der Ansatz des geplanten Kongresses ist die Frage, wie fiktionale Texte (Literatur, Theater und audiovisuelle Künste, also nicht-pragmatische Texte) ethische Normen vermitteln, ohne Kontingenz auszublenden.
Zum Thema „Literatur und Ethik“ soll nach den in Passau veranstalteten internationalen Tagungen zu moralischen Dilemmata in fiktionalen Darstellungen („Ser y deber ser“, 2015) und zu Diversität bezüglich moralischer Fragen („Diversidad cultural – literaria – ¿moral?“, 2018) nunmehr eine Tagung zum Thema „Kontingenz und Moral“ folgen, das implizit auch bei den beiden Vorgängerkongressen schon angeklungen ist: Die Konfrontation mit Diversität impliziert Kontingenzerfahrungen, ebenso wie die prinzipielle Unentscheidbarkeit von Dilemmata. In ethischer Hinsicht geht es in allen Fällen um das Problem des Relativismus. Dieses wird im 20. und 21. Jahrhundert umso deutlicher, als die Zunahme von Möglichkeiten der Lebensgestaltung und die immer wichtigere Rolle reflexiven Wissens Kontingenzerfahrungen vermehren. Die den vorherigen Tagungen analoge Forschungsfrage lautet: Wie gehen fiktionale Texte, die Kontingenz behandeln, mit moralischer (Un-)Verbindlichkeit um?
Für eine bessere Vergleichbarkeit der Einzelstudien wird die Thematik der Fremdheitserfahrung fokussiert, insbesondere Fremdheitserfahrung infolge eines Raumwechsels, sei dieser freiwillig (Migration) oder unfreiwillig (Exil). Der spanische Ausdruck el extranjero wird dabei in seiner doppelten Bedeutung, ‚der Fremde‘ und ‚die Fremde‘, gefasst und impliziert das Nicht-Planbare, Nicht-Berechenbare in der Konfrontation mit fremden Kulturen als Kontingenzerfahrung und gegebenenfalls -bewältigung.
Die geplante Tagung hat zwei grundlegende Ziele: Die Frage nach Moral in literarischen Texten zu stellen, die Kontingenz zum Gegenstand haben, und an einem konkreten Thema (der/die Fremde) zu zeigen, wie der Text die Frage nach dem Umgang mit Kontingenz beantwortet (oder offenlässt). Die übergreifende Frage ist: Wie wird moralische Verantwortung in kontingenten Textwelten inszeniert? Wie wird in einer kontingenten Welt Konsens oder Dissens durch fiktionale Texte formuliert?
Die Tagung wurde unterstützt durch: