Sektion 1
Wolfram Aichinger (Wien)
Martina Meidl (Wien/Klagenfurt)
Michael Rössner (München/Wien)
Melos und Opsis im Siglo de Oro. Rhythmus, Bild und Emotion in Theater und Lyrik
Die Sektion soll den Forschungsstand zur Bedeutung gebundener Sprache im Siglo de Oro reflektieren. Sie soll – aufbauend auf Northrop Frye, Octavio Paz, die Kulturanthropologie und Mentalitätengeschichte – Erkenntnisse zum Zusammenwirken des Rhythmus der Sprache und der Bedeutungsentfaltung, insbesondere der Bildentfaltung, in Theater und Lyrik versammeln und weiterentwickeln.
Die Kernfragen lauten: Auf welche Weise wird Bedeutung durch Klangmuster, Akzente, Pausen und andere Elemente der variierten Wiederholung ausgelöst und mitgetragen; wie gestaltet sich das Zusammenspiel der genannten Elemente? Dabei soll die Skala möglicher Wirkungen rhythmischer Sprache bedacht und im Zusammenhang mit poetologischen Forderungen der Zeit gesehen werden: von der dezenten Unterordnung des Rhythmus unter die Gedankenführung im 16. Jahrhundert bis zur extremen Betonung von Klangmustern und Reimwörtern bei Góngora. Es interessiert ebenso die Wirkkraft einzelner Verse wie die Gesamtprägung eines Ausschnitts durch den Rhythmus insofern, als dieser ein bestimmtes Zeitgefühl und eine bestimmte emotionale Färbung zugrunde legt und die Art und Weise der Bildentfaltung bestimmt. Dabei soll die Frage, wo sich Gattungen unterscheiden und wo sie nach ähnlichen Regeln spielen, in den Blick kommen und auch diejenige nach der beabsichtigten Wirkung beim Rezipienten.
Ziele der Sektion: 1. Tieferes Verständnis von Meisterwerken der Epoche durch Einbezug von Klang und Rhythmus als Faktoren der Sinnkonstitution; 2. Schärfung des Blicks für poetologische Entwicklungen in der Diachronie und Verbindungen und Unterschiede in der Synchronie, die möglicherweise quer zu etablierten Vorstellungen und Schemata liegen. 3. Kulturgeschichtliche Erkenntnisse über die Rolle poetischer Sprache bei der Orchestrierung und Synchronisation des sozialen Lebens und über ihren Einfluss auf den Haushalt der Affekte.
Erbeten sind: 1. Beiträge zu einzelnen Autoren und Werken der Epoche, seien es nun Primärtexte oder Beiträge zur Poetik; 2. Beiträge, welche die Entwicklung von poetischen Schulen, den Wandel von Gattungen und Formen und damit auch umfassende Epochenmerkmale und historischen Wandel erfassen; 3. Theoriebeiträge, welche eine Schärfung des analytischen Instrumentariums ermöglichen. Diese können u.a. aus dem Bereich der Phonologie, kognitiven Linguistik, der Kulturanthropologie oder Mentalitätengeschichte kommen.