Sektion 11
Daniel M. Sáez Rivera (Madrid)
Marta Guzmán Riverón (München)
Vernachlässigte Epochen in der spanischen Sprachgeschichte: das 18. Jahrhundert
Die moderne diachronische Linguistik ist noch immer durch das Erbe der Romantik geprägt. So überwiegen Forschungen über die Epochen des Sprachursprungs und der literarischen Blüte (im Fall des Spanischen das Siglo de Oro), während Studien fehlen, die Epochen betreffen, deren literarisches Prestige weniger hoch ist oder die in zeitlicher Nähe zur Entstehung der historischen Sprachwissenschaft im 19. Jahrhundert liegen. Entsprechend ist das 18. Jahrhundert, das gemeinhin als die Entstehungszeit des modernen Spanisch verstanden wird, kaum erforscht, handelt es sich doch um eine Epoche, die in der kanonischen Literaturgeschichte gering geschätzt wird und die gewissermaßen als das "heute" oder unmittelbare "gestern" des 19. Jahrhunderts gesehen wurde. Das Interesse für dieses Jahrhundert beschränkte sich meist auf drei Bereiche: Auf einige lexikalischen Aspekte, auf die Arbeit der Real Academia Española, vor allem aber auf die Historiographie der Linguistik, der ganz besonderes Interesse gewidmet wurde.
Im Wissen um die Bedeutung des 18. Jahrhunderts als Übergangszeit zwischen klassischem und modernem Spanisch haben jedoch diachrone Sprachwissenschaftler im Rahmen der Hispanistik begonnen, diese Jahrhunderte anhaltende Tendenz umzukehren. Sie haben nicht nur bestimmte Phänomene und Entwicklungen untersucht, sondern haben auch angefangen – wie man dies in einer postmodernen Gesellschaft erwarten kann – Fragen nach dem Charakter dieser Epoche zu stellen, in der das moderne Spanisch entstanden ist, und zwar sowohl in Bezug auf Spanien als auch auf Lateinamerika und andere Enklaven der hispanophonen Welt (judenspanische wie kreolische Gemeinschaften).
Diese Sektion richtet sich an Sprachwissenschaftler, die sich für das vernachlässigte Spanisch des 18. Jahrhunderts und seine Epoche interessieren, insbesondere mit einer interdisziplinären Herangehensweise: der theoretische Rahmen, den die Untersuchung der Diskurstraditionen bietet, wie sie sowohl in Spanien als auch außerhalb entstehen, sowie der Ansatz der kognitiven Linguistik, die – häufig – mit Grammatikalisierungstheorie(n) verknüpft wird, oder Studien, die den linguistischen oder historiographischen Kanon des Spanischen dekonstruieren. Willkommen in der Sektion sind insbesondere Vorträge über noch wenig untersuchte Aspekte des 18. Jahrhunderts, wie z.B. die literarische Sprache der ersten Hälfte des Jahrhunderts, insbesondere der in Vergessenheit geratenen Autoren des Spätbarock und der frühen Aufklärung, historische Phonetik und Morphosyntax sowie nicht akademische und anti-akademische Sprachbetrachtungen.