Sektion 15
Martina Schrader-Kniffki (Bremen)
Silke Jansen (Mainz)
Übersetzung - Realität? Repräsentation? Konstruktion?
Die jahrhundertealte Kulturpraxis der Übersetzung nimmt seit jeher eine tragende Rolle in der Entwicklung der europäischen Sprachen und Kulturen im Allgemeinen sowie des Spanischen im Besonderen ein. In der heutigen, durch Prozesse der Europäisierung, Internationalisierung und Globalisierung gekennzeichneten Zeit ist die Bedeutung der Übersetzung in ökonomischen und kulturellen Austauschprozessen noch gewachsen.
Um den neuen Anforderungen gerecht zu werden, sind die Konzepte und Theorien der Translationswissenschaften zur Zeit tiefgreifenden Veränderungen ausgesetzt, die alle für den Übersetzungsprozess relevanten Aspekte gleichermaßen betreffen. Dieser wird nicht länger als bloße Übertragung von Inhalten aus einer Sprache in die andere mittels lexikalischer Äquivalente betrachtet, sondern versteht sich als konstruktiver Prozess, in dessen Zentrum der Übersetzer als Subjekt steht. Das Resultat ist eine hybride, transkulturelle Konstruktion, in die die jeweiligen Wissensbestände und Konstruktionen des Autors, des Übersetzers sowie des bzw. der Adressaten des Textes einfließen.
Der konstruktivistische Ansatz stellt daher atomistische Konzeptionen, die lediglich auf dem Verständnis und der Reproduktion sprachlicher Zeichen in unterschiedlichen Codes basieren, zugunsten einer ganzheitlichen Konzeption infrage, die auch die kulturelle Dimension der Übersetzung einschließt, wie sie nicht nur in den sprachlichen Einheiten, sondern auch im situativen Kontext und in den Subjekten des Autors, Übersetzers und Rezipienten enthalten ist. Während konstruktivistische Modellierungen der Übersetzung bisher v.a. im Bereich der literarischen Übersetzung Anklang finden, können auch Fachtexte und mündliche Kommunikation als Orte aufgefasst werden, wo Wissen und semantische Inhalte konstruiert werden, die in der Übersetzung einen Prozess der De- und Rekonstruktion durchlaufen. Die Komplexität des Gegenstandes hat dabei dazu beigetragen, dass in den letzten Jahren interdisziplinäre Ansätze in der Fachdiskussion überwiegen.
In der Sektion soll es darum gehen, die neueren Ansätze der Translatologie aus der Perspektive der verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen zu diskutieren, aus denen sie sich speist – darunter u.a. die Linguistik, die Literatur- und Kulturwissenschaft, die Übersetzungsdidaktik usw. – wobei grundsätzlich alle Textsorten Beachtung finden sollen. Der interdisziplinäre Ansatz ermöglicht es dabei, die Herangehensweisen der verschiedenen Disziplinen auf die Übersetzung auszuleuchten und sich dieser dabei einerseits als sprachlicher und kultureller Praxis, andererseits als Forschungsgegenstand der Linguistik, Literaturwissenschaft und Didaktik zu nähern.