Lehrstuhlprofil
Brücken schlagen: Interkulturelle Kommunikation an der Universität Passau
Interkulturelle Kommunikation und interkulturelles Management erfreuen sich seit den 1980er Jahren großer Popularität. Interkulturalität ist ein Thema von zunehmender Relevanz. Kulturelle Grenzen werden tagtäglich überschritten und interkulturelle Brücken gebaut.
Verständnis und Engagement für kulturelle Unterschiede sind dabei die Voraussetzungen für ein friedvolles Zusammenleben und harmonische sowie angemessene Kooperationen in einer sich zunehmend internationalisierenden und damit 'interkulturalisierenden' Welt. Dort, wo Menschen mit verschiedenen kulturellen Hintergründen aufeinandertreffen, kann es zu Irritationen und Missverständnissen kommen.
Nicht nur Gesellschaften und Organisationen beschäftigen sich mit Interkulturalität, sondern auch die Wissenschaft. Sie versucht Erklärungen und Orientierungsrahmen bereitzustellen, um kulturelle Vielfalt zu verstehen, zu erklären und komplementär zu nutzen. Die Entwicklung interkultureller Kompetenz ist dabei von zentraler Bedeutung. Sie trägt dazu bei, die eigenkulturelle und fremdkulturelle Prägung der Interaktionspartner besser zu verstehen und Handlungskompetenzen für erfolgreiche Interaktion zu entwickeln und umzusetzen. So sollen Synergiepotenziale interkultureller Interaktionen nutzbar gemacht werden.
Wir, als Lehrstuhl für Interkulturelle Kommunikation, verstehen uns als Brückenbauer zwischen verschiedenen Lebens- und Arbeitswelten und verschiedenen Kulturebenen, die es zu fundieren, in einen systemischen Kontext einzuordnen, und miteinander zu verknüpfen gilt.
Interkulturelles Lernen
Interkulturelle Kompetenz entwickelt sich als ein Prozess, der sich in drei Phasen einteilen lässt:
- 1. Emotionale Phase
Bewusstsein über die Relativität von Werten, Empfindungen sowie Denk- und Verhaltensweisen
- 2. Kognitive Phase
Erweiterung des Wissens und des Verständnisses der Funktionsweisen kultureller Systeme
- 3. Handlungsphase
Anpassung des Verhaltens in interkulturellen Situationen, um Ziele leichter zu erreichen
Das Passauer Drei-Ebenen-Modell interkultureller Kompetenz
Für uns findet interkulturelle Kommunikation zum einen in und zwischen sozialen Systemen statt, die sich modellhaft als drei zusammenhängende Ebenen darstellen lassen.
Zum anderen ist interkulturelle Kommunikation für uns kontextbezogen, d. h. neben kulturellen Elementen ist auch der konkrete Bezug zu Institutionen, Strategien und Interessen der einzelnen Akteure herzustellen.
Mikro-Ebene ≙ Individuen (Persönlichkeit und Kompetenzen)
Die Mikro-Ebene interkultureller Kommunikationsforschung betrifft interpersonale Kommunikation und Kontakte zwischen Persönlichkeiten, die unterschiedliche kulturelle Orientierungs- und Referenzsysteme verinnerlicht haben und somit andersartige Interpretations- und Verhaltensmuster aufweisen können. Auf der Mikro-Ebene wird interkulturelle Kompetenz, etwa durch interkulturelles Training und Coaching, entwickelt und ist die Voraussetzung für einen konstruktiven Umgang miteinander.
An unserem Lehrstuhl gilt das Interesse insbesondere der Interkulturalität in Organisationskontexten. Menschen handeln in spezifischen Kontexten, die häufig geprägt sind durch Sachzwänge oder Interessens- und Machtkonstellationen. Hierbei treffen divergierende Vorstellungen von Rollen und Verhaltensweisen im Kontext von Führung und Teamwork im multikulturellen Umfeld aufeinander. Interaktionsqualität und -erfolg der Individuen hängen von der adäquaten Interpretation anderskulturellen Verhaltens ab.
Am Lehrstuhl für Interkulturelle Kommunikation werden Formen und Methoden interkultureller Kompetenzentwicklung erforscht und vermittelt.
Meso-Ebene ≙ Organisationen (Organisationskulturen und Internationaler Transfer)
Interkulturelle Kommunikation und Interaktion finden häufig in oder zwischen Gruppen, internationalen Teams oder Organisationen statt. Organisationen entwickeln bestimmte Werte sowie Formen des Denkens und Verhaltens, die auch als Organisationskultur bezeichnet werden. Diese Kultur beinhaltet identitätsstiftende Werte, Normen und Regeln.
Organisationen stellen einen bedeutenden Forschungskontext dar. Sie sind durch internationalen Transfer sowie aufgrund ihrer partikulären Machtverteilung permanenten Veränderungs- und Entwicklungsprozessen ausgesetzt, die zur Bildung einer neuen, dritten Kultur, einer Interkultur, beitragen können. Demnach geht es hierbei um die interkulturelle Integration verschiedener Systeme.
Am Lehrstuhl für Interkulturelle Kommunikation werden Ausprägungen interkultureller Organisationsentwicklung, Kulturtransfers sowie interkulturelle Aushandlungsprozesse in Organisationen sowie der Einfluss von Organisationen auf interkulturelle Interaktionszusammenhänge in Migrationskontexten untersucht und verglichen.
Makro-Ebene ≙ Gesellschaften (Wirtschaftssysteme und Wirtschaftsstile)
Soziale Systeme beeinflussen und strukturieren interkulturelle Kommunikation und Interaktion auf der Makro-Ebene unseres Modells. Gesellschafts- und Wirtschaftssysteme stellen die historisch und institutionell prägende Basis für die Bildung und Entwicklung von Kultur dar, auf der sich spezifische Wirtschaftsstile herausbilden.
Innerhalb einzelner Kulturräume, wie z. B. Frankreich oder China, entwickeln sich spezifische soziale, politische und ökonomische Institutionen (Staat, Unternehmen, Interessengruppen, Bildungssysteme) sowie kulturelle Institutionen (wie z. B. Werte, Normen und Verhaltensmuster), die als Orientierungs- und Referenzsysteme fungieren.
Kulturräume mit ihrem Gesellschafts- und Wirtschaftssystem sind jedoch keine hermetisch geschlossenen, monokulturellen Container. Sie sind mit kulturellen Transfer- und Transformationsprozessen konfrontiert, die zu kultureller Vielfalt und Multikulturalität innerhalb des Systems beitragen und neue Herausforderungen mit sich bringen.
Am Lehrstuhl für Interkulturelle Kommunikation werden, die Verflechtungen des jeweiligen kulturellen Kontextes mit Gesellschafts- und Wirtschaftssystemen analysiert.