Dr. Jakob Kelsch
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Dr. Jakob Kelsch
Dissertation
Binging Family - Die Konzeption von Familie in der Video-on-Demand-Serie
Abstract
Welche Modelle und Ideale von Familie dominieren die Video-on-Demand-Serie in einem Zeitraum von 2014 bis Ende 2018 und welche gesellschaftlichen und kulturellen Paradigmen werden als zentral gesetzt?
In den TV-Serien der 1950/60er Jahre bildete sich das Zusammenleben in einer patriarchal-strukturierten Kernfamilie der Mittelschicht als Ideal der menschlichen Koexistenz heraus. Nach Art einer Wellen- oder Schleifenbewegung brachte die Entwicklung der 1970er bis 2000er Jahre Phasen der Dekonstruktion/Liberalisierung und Phasen der Renormierung/Rekonstitution dieses Ideals mit sich. Dabei wurde nie vollständig zum Ausgangsmodell zurückgekehrt, sondern die Weltmodelle sukzessive diverser und bezüglich der Geschlechterverhältnisse egalitärer. Im Kern blieb das Modell indes bis heute unverändert und wurde durch beständige mediale Perpetuierung zum dogmatischen Mythos. Auch Familien in VoD-Serien werden von diesem Modell und den damit einhergehenden konservativen Rollenmodellen dominiert. „Abweichende“ Strukturen (d.h. nicht heterosexuelle Lebensmodelle) bestätigen durch Angleichung an die Heteronormativität die dominante Norm. Die weiterhin patriarchale Strukturierung und der kernfamiliäre Mythos ergeben sich indes nicht mehr aus der Logik der Weltmodelle und werden dementsprechend als biologischer Determinismus postuliert. Die Familie in dieser Form legitimiert sich zentral aus ihrer Funktion als geordneter Schutz- und Rückzugsraum, der gegen die bedrohliche Außenwelt strikt abgeschottet ist. Die aktuelle VoD-Serie ist also im Kern ein konservatives Medium: Nur oberflächlich werden die Weltmodelle problematisiert und wird versucht Diversität zu repräsentieren. Dies kann indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass der tief im kulturellen Wissen verankerte Mythos der Familie die Sinnfülle verloren hat, die er zum Zeitpunkt seiner Entstehung noch hatte. Zudem werden weiterhin gesellschaftliche Minderheiten ausgegrenzt und marginalisiert.
Publikationen
Kelsch, Jakob 2019: Father Knows Worst! Familiendarstellung in der populärkulturellen US-amerikanischen Zeichentricksitcom. Stuttgart, 2019.
Kelsch, Jakob 2019: „Transparente Individuen im intransparenten System“. Das Spannungsfeld von Privatheit und Digitalisierung in Marc-Uwe Klings Roman QualityLand, in: Aldenhoff et al. (Hg.): Digitalität und Privatheit. Kulturelle, politisch-rechtliche und soziale Perspektiven. Bielefeld.
Kelsch, Jakob 2021: Binging Family. Die Konzeption von Familie in der Video-on-Demand-Serie. Wiesbaden.
Decker, Jan-Oliver/Kelsch, Jakob (2024): Mediensemiotik und Medienkunde als Basis von Information and Media Literacy (IML). Fachwissenschaftliche Einblicke am Beispiel des Videospiels Wolfenstein II: The New Colossus, in: Brandl, Matthias (Hg.): Paradigma. 40 Jahre Lehrkräftebildung an der Universität Passau: Ein- und Ausblicke Nr.1/2024, S.101-112.
Kelsch, Jakob 2024: Lovecraft mit Ausblick? – Motiviken H. P. Lovecrafts in Robert Eggers Filmen allgemein und in The Lighthouse (2019) im Besonderen, in: Gmelch, Adrian/Hercenberger, Daniel/ Hochfeld, Jan Niklas (Hg.): Perspektive auf Robert Eggers‘ Filme. Marburg: Büchner, S.203-218.
Als Herausgeber:
Aldenhoff et al. (Hg.): Digitalität und Privatheit. Kulturelle, politisch-rechtliche und soziale Perspektiven. Bielefeld.