Das Neue Testament als kollektives Gedächtnis
Im Rahmen des DFG-finanzierten Forschungsprojekts "Identitätsbildung im Spiegel der Jesuserinnerung. Das Markusevangelium als kollektives Gedächtnis" habe ich auf der Grundlage transdisziplinärer kulturwissenschaftlich-gedächtnistheoretischer Forschung einen hermeneutischen Zugang erschlossen, der es ermöglicht, biblische Texte als Artefakte kollektiver Gedächtnisse zu lesen und als Beiträge zu frühchristlicher Identitätskonstruktion zu verstehen und auszuwerten. Das Markusevangelium diente in diesem Projekt als "Testfall", bzw. erster Untersuchungsgegenstand. Dieser hermeneutische Zugang kann auch auf andere neutestamentliche und frühchristliche Texte appliziert werden.
Kulturwissenschaftlich-gedächtnistheoretische Lektüren des Neuen Testaments stellen eine methodische und hermeneutische Innovation dar, die auch jenseits der Bibelwissenschaften für den kulturwissenschaftlichen Diskurs interessant ist. Um eine breitere Applikation dieses Zugangs auch jenseits der akademischen Fachdiskurse anzustoßen, braucht es ein Scharnier, das einerseits den akademischen mit dem nicht-akademischen und andererseits den deutschsprachigen mit dem englischsprachigen Diskurs innerhalb der Bibelwissenschaften vernetzt.
In diesem Forschungsschwerpunkt wird daran gearbeitet, diese Lücke zu schließen und Methoden für die Lektüre des Neuen Testaments und frühchristlicher Texte als Gedächtnisliteratur zu erarbeiten. Nachdem die hermeneutische Vorarbeit geleistet ist, geht es nun vor allem darum, an Fallbeispielen zu zeigen, wie kulturwissenschaftlich-gedächtnistheoretische Lektüren neutestamentlicher und frühchristlicher Texte aussehen können. Dazu wird sowohl an Evangelientexten als auch neutestamentlichen und frühchristlichen Briefen sowie Märtyrerakten gearbeitet.