Lehrphilosophie
Im letzten Buch des Neuen Testaments wird der Seher Johannes aufgefordert, ein Buch zu verspeisen, welches ihm nicht gut bekommt. Dennoch ist er danach gehalten, weiter zu prophezeien. Um zu vermeiden, dass es Studierenden mit dem Studium der Bibel ähnlich geht, brauchen sie Anregungen und Rückmeldungen auf ihrem eigenen Weg, sich das Buch der Bücher zu erschließen. Diese persönlichen Lernwege im Sinne einer umfassenden Biographiebildung zu begleiten, ist meine Vision von guter Lehre im Bereich der Bibelwissenschaft.
Das Beispiel des Sehers zeigt, dass exegetisches Arbeiten weder delegiert werden kann noch rein rezeptiv ablaufen darf. Daher ist es mir wichtig, Studierende an einen Umgang mit der Bibel heranzuführen, der sich im Dreieck Biblische Hermeneutik, Exegetische Methodik und Enzyklopädiepflege bewegt. In Auseinandersetzung mit diesen Schwerpunkten erarbeiten sich die angehenden Multiplikatorinnen und Multiplikatoren ihr eigenes exegetisches Handwerkszeug, das die Basis für ihre Arbeit an und mit der Bibel darstellt und in späteren Aus- und Weiterbildungen immer wieder kritisch geprüft und ergänzt werden kann.
Dieser Grundausstattung kommt eine besondere Bedeutung zu. Mit meiner Lehre möchte ich Studierende zu einem eigenständigen verantworteten Umgang mit der Bibel befähigen und sie beim Erwerb der dafür notwendigen Kompetenzen begleiten. Lernen ist für mich Beziehungsgeschehen und nicht auf die Lehrveranstaltung selbst begrenzt. Im Gegenteil: Um die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten auch für andere Kontexte aufbereiten und umsetzen zu können, braucht es neben der Kognition auch die Reflexion. Daher gehen in meinen Lehrveranstaltungen kognitive und metakognitive Lernziele Hand in Hand. Der Lernprozess liegt dabei zwar klar in der Verantwortung der Einzelnen, wird aber auch durch den Lernprozess der gesamten Lerngruppe unterstützt und gefördert. Vielleicht wäre dem Seher das Büchlein in der entsprechenden Mahlgemeinschaft auch besser bekommen.