Fachtagung ReligionslehrerIn werden
1. Kontext
"Religionslehrerbildung auf dem Prüfstand" – so lautete der Titel einer Fachtagung der Deutschen Bischofskonferenz im Jahre 2000. Im Mittelpunkt der Diskussionen stand die Frage, wie die Katholischen Fakultäten profiliert eine theologische Ausbildung der Lehramtsstudierenden gewährleisten könnten. Mit dieser Veranstaltung wurde ein Konsultationsprozess eröffnet, der das Gespräch und die Reflexion in Fakultäten und anderen Einrichtungen der Religionslehrerbildung fördern will.
Mit der eigenen Fachtagung unter dem Titel "ReligionslehrerIn werden in Niederbayern" beteiligt sich die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Passau unter Federführung des Lehrstuhls für Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts am Konsultationsprozess der Deutschen Bischofskonferenz.
2. Vorträge der Fachtagung
2.1 Zielort: Religionsunterricht
Prof. Dr. Anton Bucher, Institut für Religionspädagogik an der Universität Salzburg, stellte die jüngste empirische Untersuchung zum Religionsunterricht in Deutschland (Anton Bucher, Religionsunterricht zwischen Lernfach und Lebenshilfe. Eine empirische Untersuchung zum katholischen Religionsunterricht in der Bundesrepublik Deutschland, 2. A. Frankfurt a.M. 2000.). Die Befragung von 7200 Schülerinnen und Schülern aus ausgewählten typischen Regionen Deutschlands räumt mit gängigen Vorurteilen bezüglich des Religionsunterrichts auf, was die Beliebtheit und Themenwahl betrifft: In der Grundschule gehört das Fach zu den beliebtesten Fächern, in der Mittelstufe nimmt die Beliebtheit dann jedoch ab. Thematisch dominieren genuin theologische Themen vor rein ethischen. Entscheidend für die Akzeptanz des Religionsunterrichts sind weder familiäre noch regionale Bedingungen, sondern das Binnengeschehen im Unterricht selbst: Wenn Schüler sich aktiv und handlungsorientiert auf anspruchsvolle Weise mit lebensnahen Themen auseinandersetzen dürfen, schätzen sie den Religionsunterricht.
2.2 Studierende als künftige Religionslehrkräfte
Ralph Güth, Religionspädagoge und Soziologe an der Universität Essen, gab unter dem Titel "Wie hältst Du es mit der Theologie?" Einblicke in Studienbiographien. Ziel seines Forschungsprojekts ist es, Studierende nicht zu kritisieren, sondern sie zu verstehen. Seine Interviews belegen, dass Studierende in ihrem Lernverhalten und Reflexionsvermögen während des Studiums kaum die mitgebrachten schulischen Routinen durchbrechen. Güth macht dafür in erster Linie die Strukturen an der Universität verantwortlich, die zu wenig zum Durchbrechen alter Routinen und zur Bildung professioneller neuer Routinen herausfordern. Studierende fielen immer wieder in die alten Verhaltensmuster zurück und bildeten entsprechende Abwehrtendenzen und Selbstimmunisierungsstrategien aus, die eine reflektierte Persönlichkeitsentwicklung auch in religiöser Hinsicht verhinderten: So erweist sich der Ruf nach vermehrter Praxis im Studium als Suche nach einem neuen Ort, weil man am eigentlichen Ort – der Universität – noch gar nicht angekommen ist.
2.3. Religionslehrkräfte reflektieren Studium und Referendariat
Prof. Dr. Hans Mendl, Religionspädagoge und Religionsdidaktiker an der Universität Passau, präsentierte gemeinsam mit einer Projektgruppe die Ergebnisse einer Feldstudie: "Junge ReligionslehrerInnen reflektieren Studium, Referendariat und erste Berufsjahre". Die Studie ergab, dass die Motivation für das Theologiestudium grundlegend auch die Herangehensweise an das Studium und dessen Bewertung bestimmte, wobei vier Motivationstypen unterschieden werden konnten: (1) Theologie wird als vermeintlich leichtes Fach gewählt, (2) die Entscheidung erfolgt aus persönlichem und inhaltlichem Interesse, (3) das pragmatische Ziel, Religionslehrer zu werden, dominiert und (4) man (bes. künftige Gymnasiallehrer) studierten Theologie primär aus wissenschaftlichem Fachinteresse an Theologie. Vom Studium hätten sich die meisten Junglehrer eine stärkere praktische Ausrichtung, mehr Überblicksveranstaltungen und einen stärkeren Bezug zum späteren Handlungsort Schule gewünscht, wobei eine anspruchsvolle theoretische Grundlegung durchaus als sinnvoll erachtet wird. Die Fachdidaktik erweist sich als Testfall für die Qualität und Beurteilung des Studiums insgesamt: didaktische Vorlesungen, Seminare und Prakika müssen zeitaktuell, unterrichts- und lebensweltbezogen angelegt sein, damit sie als hilfreich für den späteren Beruf anerkannt werden. Hier muss der Spagat einer Theorie-Praxis-Verschränkung gelingen. Die zweite Ausbildungsphase im Referendariat beurteilten die Grund- und Hauptschullehrer vor allem für die Teilausbildung zum Religionslehrer als äußerst positiv und hilfreich; Gymnasiallehrer erleben das Referendariat vor allem wegen des direkteren Zusammenhangs von Beratung und Beurteilung durch dieselbe Personen als eher problembeladen. Auffallend an den Äußerungen der JunglehrerInnen war, dass sie sich breit über ihr derzeitiges Berufsethos (Konzept von RU, Didaktisch-methodische Kompetenzen, Selbstkonzept) äusserten, jedoch nicht angaben, inwiefern Studium und Referendariat an der Ausbildung der dazu benötigten Kompetenzen und Einstellungen etwas beigetragen haben.
3. Plenumsdiskussion
An der Plenumsdiskussion nahmen neben den Referenten Studierende, Professoren und Assistenten aller Fachgruppen innerhalb der Katholisch-Theologischen Fakultät, Praktikumslehrer sowie Vertreter von verschiedenen Trägern der zweiten und dritten Phase der Lehrerbildung (Bischöfliches Schulreferat, Religionspädagogisches Seminar, Ministerialbeauftragte, Seminarrektoren) teil. Im Mittelpunkt der Diskussion standen die Erwartungen an das Studium der Katholischen Theologie im Rahmen der Lehrerbildung. Die Forderung, dass in allen theologischen Disziplinen das Fachwissen für Lehramtsstudierende in elementarisierter Form aufbereitete werden müsse, fand breite Zustimmung. Ebenso sollten entsprechende einführende Überblicksveranstaltungen in die gesamte Theologie angeboten werden. Dies könnte einem so bezeichneten "Oasenwissen" vorbauen; bei der Änderung der Lehramtsprüfungsordnung (LPO) soll eine entsprechende Veranstaltung verpflichtend eingeführt werden. Andererseits widerspreche es aber dem universitären Selbstverständnis, wenn eine Reduktion von Wissensbeständen auf ausschließlich in der schulischen Praxis Verwertbares erfolge. Ein Studium habe auch die Aufgabe, durch neue Blickwinkel aus der Fachtheorie zu beunruhigen, Denken zu provozieren, und somit zu einer Transformation träger Routinen beizutragen. Hinsichtlich der unterschiedlichen Eingangsbedingungen und –motive von Studierenden erscheint eine Einführung und Begleitung der Studierenden unabdingbar. Dies könnte auch zu einer Professionalisierung des Studiums beitragen. Hier wurde auf ein Modellprojekt "Patenschaft: Studierende betreuten Studienanfänger" des Lehrstuhls für Religionspädagogik in Zusammenarbeit mit dem Mentorat für Lehramtsstudierende verwiesen, dessen Ziel es sei, Studierende bei der Studienorganisation, aber auch in ihrer Persönlichkeitsentwicklung und der Vorbereitung auf ihre Berufsrolle zu unterstützen.
Konsequenzen der Fachtagung wurden bei einem weiteren offenen Gespräch am 24.4.2001 weiterverfolgt.