Die Fächer Religionspädagogik und Religionsdidaktik
Religionspädagogische Hermeneutik
"Die Grundstruktur wissenschaftlich-religionspädagogischen Arbeitens besteht mithin in dem Versuch, theologische Einsichten zur Hermeneutik des Glaubens mit Analysen zu den empirischen Voraussetzungen einer pädagogischen Erschließung dieses Glaubens so zu vermitteln, daß sich daraus Empfehlungen für die Praxis religiöser Erziehung und Bildung begründen lassen." Gottfried Bitter und Rudolf Englert
Das Ende einer theologisch deduzierten Religionspädagogik
"Wir sind kein Paketversand!", pflegte mein Doktorvater und Vorvorgänger an diesem Lehrstuhl Eugen Paul gegen ein Verständnis von Religionspädagogik und -didaktik als einer der Theologie untergeordneten reinen Anwendungswissenschaft einzuwenden. Die Formel von der "Weitergabe des Glaubens", möglichst in unverkürzter und vollständiger Form erweist sich seit der "empirischen Wende" in der Religionspädagogik als äußerst problematisch. Religionspädagogen und Religionslehrer sind mehr als nur Verpackungskünstler!
Religionspädagogik und -didaktik als Theorie religiöser Lern- und Bildungsprozesse
Religionspädagogik und -didaktik sind Teildisziplinen der praktischen Theologie. Ihr Gegenstand sind religiöse Lernprozesse. Ihr Ziel ist es, religiöse Lern- und Bildungsprozesse in christlich-pädagogischer Verantwortung theoretisch zu fassen. Dies muss im Kontext der soziokulturellen Bedingungen und der pädagogisch-entwicklungspsychologisch-sozialen Wirkzusammenhänge geschehen. Innerhalb eines solchen Verständnisses von Religionspädagogik ist die Praxis nicht nur der Anwendungsfall für eine voraussetzungslose Theorie, sondern ein konstitutives Element für die Qualifizierung religiöser Lernprozesse.
Religionspädagogik und -didaktik müssen sich deshalb sowohl am Gesamt der theologischen Fächer wie auch an den Erkenntnissen der Humanwissenschaften (Erziehungswissenschaft, Schulpädagogik, Psychologie, Soziologie, Sprachwissenschaft) orientieren und die Bedingungen und Möglichkeiten analysieren und darstellen, unter denen theologisch verantwortete, lebensweltlich und -geschichtlich bedeutsame und pädagogisch legitimierte religiöse Lernprozesse initiiert und begleitet werden können. Eine so verstandene Religionspädagogik ist also kontextuell angelegt.
Religionspädagogik - Didaktik des Religionsunterichts
Beide Fächer sind eng miteinander verzahnt: Während sich die Religionspädagogik stärker um die grundlegende theoretische Beschreibung der konstitutiven Elemente religiöser Lernprozesse zu kümmern hat, ist die Religionsdidaktik als Fachdidaktik in erster Linie auf den Handlungsort "Religionsunterricht" zugeschnitten und erfährt von daher ihre engere Aufgabenzuschreibung:
Die Didaktik des Religionsunterrichts:
- ist die Theorie der Praxis des Religionsunterrichts
- bezieht sich in erster Linie auf den Handlungsort Schule
- reflektiert, analysiert und plant religionspädagogisch verantwortbare Lernprozesse im Rahmen schulischen Lehrens- und Lernens
- und benötigt dazu die Religionspädagogik als Grundlagenwissenschaft.
Fragehorizonte religionspädagogischen und -didaktischen Forschens und Lehrens (in Auswahl und zur Anregung!)
- Welche Bedeutung und welche Gestalt haben in der sogenannten postmodernen Gesellschaft Glaube und Religion für den einzelnen und die Gesellschaft?
- Wie artikuliert sich Religion in der Lebensgeschichte und der Lebenswelt von Menschen, besonders von Kindern und Jugendlichen?
- Was sind die "Zeichen der Zeit", die als Herausforderung für die Religionspädagogik und die Theologie insgesamt erhoben werden können?
- An welchen profanen und heiligen Orten ereignen sich Religion oder religionsproduktive Erfahrungen?
- Was versteht man unter einem "religiösen Lernprozess" und welche Ziele und Teilaufgaben lassen sich konkretisieren?
- Was sind "Lernprozesse im Glauben" unter den Bedingungen schulischen Lehrens und Lernens heute, welche Faktoren und Gestaltungselemente sind prägend und wie kann religiöses Lernen gelingen?
- Welche Aufgaben kommt dem Fach Religionsunterricht innerhalb einer Schule für alle in der pluralen Gesellschaft und einer immer globaler werdenden Welt zu? Welche Lernkonzepte eignen sich begründet nachvollziehbar und praktisch umsetzbar in besonderem Maße für die Planung religiöser Lernprozesse?
- Inwiefern ist das katechetische und religionspädagogische Bemühen um geeignete Konzepte, Methoden und Handlungsorte im Laufe der Geschichte aufschlussreich für die Religionspädagogik heute?
- Wie artikuliert sich universitäreres Lernen - besonders in der Religionspädagogik und -didaktik, das der Persönlichkeitsbildung, der Wissenschaftsorientierung und der Berufsvorbereitung förderlich ist?