Delegierte Gerichtsbarkeit
Projekttitel | Delegierte Gerichtsbarkeit auf der Iberischen Halbinsel im 12. Jahrhundert. Struktur und computergestützte Analyse eines urkundlichen Massenkorpus |
Projektleitung | Prof. Dr. Malte Rehbein (Lehrstuhl für Computational Humanities, Passau) Prof. Dr. Klaus Herbers (Senior Professor of Medieval History, Erlangen-Nürnberg) |
Laufzeit | 01.10.2022 - 30.09.2025 |
Mittelgeber | DFG - Deutsche Forschungsgemeinschaft (Projektnummer 495959196) |
Projektteam | Dr. Daniel Berger (Göttingen) Dr. Bengt Büttner (Göttingen) Dr. Thomas Haider (Passau) Alina Ostrowski (Passau) Tobias Doppler (Passau) |
Ehemalige Mitarbeitende | Dr. Marlene Ernst (Passau) |
Siehe auch | Projektpartner Akademie der Wissenschaften zu Göttingen Projektvorstellung in der Forschungsbroschüre der AdWG (Stand 2023, S. 46f.) |
Projektvorhaben
Das Projekt, das in Kooperation zwischen dem Lehrstuhl für Computational Humanities und der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen durchgeführt wird, analysiert die Praxis und Verbreitung der päpstlichen delegierten Gerichtsbarkeit auf der Iberischen Halbinsel im 12. Jahrhundert. Es lenkt damit den Blick auf eine Region, für die in den letzten Jahren größere Fortschritte in der Quellenerschließung erzielt wurden, so dass eine großflächige Untersuchung des Phänomens vor dem Hintergrund der zunehmenden Verrechtlichung des kirchlichen Lebens möglich erscheint. Methodisch geht das Projekt insofern neue Wege, als es die klassische Herangehensweise historischer Forschung mit Methoden und Zugängen der Digital History kombiniert.
Grundlage der Betrachtung bildet ein rund 1.250 Papsturkunden umfassendes, mit Metadaten angereichertes Urkundenkorpus, das die Rombeziehungen der Iberischen Halbinsel in ihrer Gesamtheit abbildet und als Folie dient, vor der sich die delegierte Gerichtspraxis abhebt und in den größeren Kontext der Ausrichtung auf das Papsttum gestellt werden kann. Dazu wird der gesamte Quellenbestand im Rahmen einer statistischen Kartografierung räumlich, zeitlich und formal beschrieben und für vertiefende Analysen aufbereitet. ca. 200 dieser Papsturkunden werden im Rahmen des Projekts erstmals ediert und als Hybridedition veröffentlicht (= Papsturkunden in Spanien IV).
Mit der Untersuchung von Akteursgeflechten und formelhaftem Schreiben erkundet das Projekt zwei zentrale Dimensionen des Verbreitungsprozesses, die sich für die Anwendung computergestützter Verfahren eignen. Mit den Methoden der Historischen Netzwerkforschung werden die an den Gerichtsverfahren beteiligten Personen (Streitparteien und Richter) in ihren Beziehungen untereinander und zum Papsttum betrachtet, um raumzeitliche Cluster aufzudecken, die historisch zu bewerten und zu interpretieren sind. So kann danach gefragt werden, ob sich für bestimmte Personen(gruppen) eine Vorreiterrolle abzeichnet oder ob gemeinsame Merkmale hervortreten, die es erlauben, die Verbreitung dieser neuen Form von Rechtsprechung mit bestimmten klerikalen Gruppen oder Milieus in Verbindung zu bringen.
In Verbindung damit untersucht das Projekt die Urkundensprache, speziell die Verbreitung formelhafter Elemente in den päpstlichen Justizbriefen. Hier stellt sich unter anderem die Frage, inwieweit sich Genese und Verfestigung solcher Formeln an konkrete Streitverläufe rückkoppeln lassen und ob sich bei deren Verbreitung ebenfalls Cluster abzeichnen, die zu den personalen Verflechtungen in Beziehung gesetzt werden könnten. Neben der händischen Kollationierung bekannter Formeln und Klauseln erprobt das Projekt hierzu eine datenzentrierte Identifizierung formelhafter Elemente mittels Text Mining-Verfahren.
- 08.-09.02.2024: Präsentation und Paper "Annotating Formulaic Language in 12th Century Papal Charters" auf der Konferenz Formulaic Language in Historical Research and Data Extraction, Amsterdam
- 28.-30.09.2022: Vortrag „Big Data Diplomacy. Information extraction on delegated jurisdiction in the Iberian peninsula of the 12th century“ auf der Digital Diplomatics Conference 2022, Graz
- April 2023: Projektworkshop zur delegierten Gerichtsbarkeit und zur Datenmodellierung
- Beitrag zum Tagungsband der Digital Diplomatics Conference 2022 (in Vorbereitung)
- Alina Ostrowski, Thomas Haider, Bengt Büttner, Daniel Berger, Klaus Herbers, Malte Rehbein: Annotating Formulaic Language in 12th Century Papal Charters. Observations on Definitions and Challenges [nicht-peer-reviewtes Paper für die Konferenz „Formulaic Language in Historical Research and Data Extraction“, Amsterdam], 2024. DOI: 10.5281/zenodo.10519355 .
- Ostrowski, A.: Digitale Diplomatik. Text Mining und Netzwerkanalyse mit iberischen Papsturkunden des 12. Jahrhunderts, in: DigiTRiP [Blog], 2023, URL: https://digitrip.hypotheses.org/1735
- Kehr, P. F. (Hg.): Papsturkunden in Spanien. Vorarbeiten zur Hispania Pontificia I. Katalanien, Berlin 1926.
- Kehr, P. F. (Hg.): Papsturkunden in Spanien. Vorarbeiten zur Hispania Pontificia - II. Navarra und Aragon, Berlin 1928.
- Berger, D./Herbers, K./Schlauwitz, Th. (Hgg.): Papsturkunden in Spanien. Vorarbeiten zur Hispania (Iberia) Pontificia III. Kastilien. Urkunden, Berlin/Boston 2020.
- K. Herbers/F. López Alsina/F. Engel (Hgg.): Das begrenzte Papsttum. Spielräume päpstlichen Handelns. Legaten – delegierte Richter – Grenzen, Berlin/Boston 2013.
- Filatkina, N.: Historische formelhafte Sprache. Theoretische Grundlagen und Methoden ihrer Erforschung, Berlin/Boston 2018.
- Rehbein, M. (2020): Historical Network Research, Digital History, and Digital Humanities, in: The Power of Networks. Prospects of Historical Network Research, hg. von M. Düring/F. Kerschbaumer/L. von Keyserlingk-Rehbein/M. Stark, Routledge, S. 251–277.